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Gefühle sind Freunde
Schauspiel lebt von Echtheit. Doch viele junge Darsteller glauben, sie müssten bestimmte Gefühle künstlich erzeugen, um eine Szene glaubhaft zu spielen. Dieses Missverständnis führt oft zu Blockaden, denn sobald wir versuchen, ein Gefühl zu „machen“, entfernen wir uns von unserer eigenen Authentizität. Mein Schauspielunterricht basiert darauf, alle Gefühle anzunehmen – auch die, die wir vielleicht lieber vermeiden würden.
Warum Gefühle unterdrücken blockiert
In unserer Gesellschaft lernen wir früh, unangenehme Gefühle zu unterdrücken. Angst, Unsicherheit, Wut oder Zweifel werden oft als Schwäche empfunden und deshalb weggeschoben. Doch genau diese Emotionen sind essenziell für starkes Schauspiel. Wenn wir sie verdrängen, verschließen wir uns vor den wichtigsten Impulsen – den Momenten, die eine Szene lebendig machen. Ein echter Ausdruck entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch Zulassen.
Gefühle zulassen als Schlüssel zum Spiel
Ein zentraler Bestandteil meines Unterrichts ist es, unangenehme Gefühle bewusst zuzulassen. Statt sie zu bekämpfen oder zu verstecken, lade ich meine Schüler ein, sich ihnen zu nähern – auf eine Weise, die spielerisch und sicher ist. Dazu nutzen wir Fantasie und Tagträume, um Emotionen zu erforschen, ohne uns von ihnen überwältigen zu lassen.
Durch gezielte Körperübungen unterstütze ich meine Schüler dabei, sich mit ihren Gefühlen zu verbinden. Denn Emotionen sind nicht nur Gedanken – sie haben immer eine physische Komponente. Wer lernt, sie im Körper wahrzunehmen, kann sie auch freier ausdrücken.
Die Sprache der Gefühle entdecken
Ein weiterer Weg, mit Gefühlen in Kontakt zu treten, ist die bewusste Wahrnehmung von Geräuschen und Texten. In meinen Übungen nutzen wir Stimme und Körper, um den Emotionen eine Form zu geben. Das kann ein Laut, ein Wort oder eine Bewegung sein – entscheidend ist, dass das Gefühl in den Ausdruck fließt, ohne dass es künstlich erzeugt werden muss.
Schauspiel beginnt dort, wo wir aufhören, uns selbst zu zensieren. Wenn wir alle Gefühle als Freunde betrachten, verlieren sie ihren Schrecken – und werden zu unserem stärksten Werkzeug auf der Bühne.